Was Männer bewegt
- Mario Kappenstein
- 25. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Zwischen Rückzug, Reizbarkeit und echter Präsenz – über das, was oft unausgesprochen bleibt, und wie wir wieder in Verbindung kommen.
Viele Männer, mit denen ich arbeite, wirken nach außen souverän – und fühlen sich innerlich doch oft unsicher, rastlos oder überfordert.Sie leisten viel, funktionieren gut – aber verlieren dabei manchmal sich selbst.
Ihre Beziehungen sind angespannt oder distanziert, sie fühlen sich im Kontakt zu Frauen unsicher oder erleben im Familienalltag Reizbarkeit und Frust. Wenn wir dann im Gespräch tiefer eintauchen, kommen wir an alte, vertraute Muster – und an einen inneren Hunger nach Verbindung, Klarheit und echter Lebendigkeit.
Typische Themen, mit denen Männer in meine Praxis kommen:
1. Unsicherheit im Kontakt zu Frauen
Viele Männer sehnen sich nach Nähe, echter Begegnung – und fühlen sich gleichzeitig hilflos, wenn es darum geht, auf eine Frau zuzugehen. Besonders im direkten Erstkontakt, also nicht über Dating-Apps, entstehen Hemmungen:
„Ich seh’ sie da stehen, finde sie wunderschön – aber dann? Ich krieg keinen Satz raus. Mein Kopf rattert, mein Herz klopft wie wild und am Ende geh ich einfach vorbei.“ |
Manche ziehen sich auf eine ironische Rolle zurück, versuchen witzig zu sein, spielen den lockeren Typ – aber bleiben dabei innerlich unklar und unerreichbar. Andere trauen sich gar nicht erst, in Kontakt zu treten – aus Angst, sich zu blamieren, nicht zu genügen, eine Abfuhr zu bekommen.Sie fragen sich: „Wie kann ich attraktiv wirken?“
Doch statt Techniken oder Tricks geht es um etwas Tieferes: innere Stimmigkeit.
Attraktiv wird ein Mann, der sich kennt – mit Licht und Schatten. Der seine Unsicherheit nicht versteckt, sondern in Kontakt bringt. Der sagen kann:
„Ich merke gerade, dass ich dich sehr spannend finde – und dass es mich Überwindung kostet, das einfach so zu sagen. Aber genau das wollte ich tun.“ |
Nicht manipulativ, nicht aufdringlich – sondern ehrlich, präsent, in sich ruhend.
Wer so spricht, zeigt sich. Und gibt der Frau Raum, damit in Beziehung zu gehen.
Meine Arbeit ist keine Anleitung zum Flirten, sondern eine Einladung, authentisch zu werden. Und damit berührend, präsent – und ja, auch attraktiv.
2. Beziehungsstress & Rückzug
Viele Männer erleben in ihrer Partnerschaft wiederkehrende Konflikte – und haben keine Idee, wie sie aus der Dauerschleife rauskommen.
Die Frau beklagt emotionale Distanz, wirft dem Mann vor, nicht wirklich da zu sein. Der Mann dagegen fühlt sich überfordert, missverstanden, zieht sich zurück:
„Egal, was ich sage – es ist irgendwie falsch. Sie will ständig reden und ich hab einfach keinen Nerv mehr.“ |
Was fehlt, ist nicht der Wille – sondern oft die Fähigkeit, mit starken Emotionen präsent zu bleiben. Viele Männer haben nie gelernt, Gefühle einfach da sein zu lassen. Stattdessen versuchen sie, Probleme zu lösen, Lösungen anzubieten – oder alles zu beruhigen.
Doch emotionale Präsenz ist keine Lösung – sondern eine Beziehungsqualität.
3. Überforderung im Vatersein
Gerade junge Väter erleben sich oft hilflos, wenn das Kind „nicht hört“, trotzt oder Wutanfälle bekommt. Viele reagieren mit Druck, Lautwerden, Rückzug – und fühlen sich danach schuldig.
„Ich hab’s ihm dreimal gesagt – aber er hört einfach nicht. Und dann bin ich laut geworden… danach hab ich mich echt mies gefühlt.“ |
Dabei ist das Verhalten der Kinder oft entwicklungspsychologisch völlig normal. Was fehlt, ist Wissen – und ein innerer Standpunkt, der Klarheit und Führung gibt, ohne in Machtspiele zu kippen.
Vatersein braucht mehr als Regeln – es braucht innere Reife und Selbstkontakt.
4. Eingeschränkter Zugang zu Gefühlen
Viele Männer haben kaum ein Vokabular für ihr inneres Erleben.
Worte wie traurig, einsam, verunsichert sind ihnen fremd oder unangenehm.
Sie erleben sich selbst eher als „genervt“, „gestresst“ oder „gereizt“ – oft ohne zu verstehen, was darunter liegt.
Und wenn sie dann doch mal Gefühle zeigen, kommt die Scham:
„Ich heul doch nicht – was soll denn das bringen?“ |
Doch genau dieser Kontakt zu den sogenannten „weichen“ Gefühlen ist entscheidend. Wer sich selbst fühlen kann, bleibt auch im Kontakt mit anderen präsent.
Gefühle, die unterdrückt werden, verschwinden nicht – sie wirken weiter.
Und äußern sich oft als Körpersymptome, Gereiztheit oder Beziehungsabbrüche.
5. Unregulierte Wut & Scham
Wut ist ein zentrales Thema vieler Männer.
Sie wurde oft als gefährlich, kindisch oder peinlich erlebt – und deshalb früh unterdrückt.
Doch unterdrückte Wut sucht sich Wege: sie entlädt sich unkontrolliert, an den falschen Stellen – oder richtet sich nach innen.Nach einem Wutausbruch folgt oft Scham:
„Ich hab meine Tochter angeschrien. Danach hab ich mich einfach nur geschämt.“ |
Ziel ist nicht, die Wut zu unterdrücken – sondern sie verstehen und transformieren zu lernen: als klare, lebendige Energie, die schützt, abgrenzt und für uns einsteht.
6. Herkunftsfamilie & alte Prägungen
Viele Männer tragen unbewusste Glaubenssätze in sich, die sie nicht hinterfragt haben:
„Ein echter Mann zeigt keine Schwäche.“ – „Gefühle sind was für Frauen.“ – „Du musst leisten, sonst bist du nichts.“
Diese inneren Stimmen stammen oft aus der Kindheit – von Vater, Mutter oder der Gesellschaft.Solange sie nicht erkannt und bearbeitet werden, bestimmen sie unser heutiges Handeln.
Der erste Schritt ist das Bewusstwerden dieser inneren Programme – und das Entwickeln eines eigenen, stimmigen inneren Bildes von Männlichkeit.
7. Selbstwert & Erschöpfung
Viele Männer kompensieren ihren inneren Zweifel durch ständige Leistung: im Job, im Sport, in der Beziehung.Sie halten durch, wollen nicht schwach wirken – und verlieren dabei irgendwann den Kontakt zu sich.
Erschöpfung, Burnout oder Beziehungskrisen sind oft die Folge.Ein Satz, den ich oft höre:
„Ich mach und mach – aber es reicht irgendwie nie.“ |
Ein gesunder Selbstwert entsteht nicht durch äußere Erfolge – sondern durch innere Annahme.
„Ich bin gut so, wie ich bin – mit allem, was mich ausmacht.“ |
8. Leere, Rückzug und depressive Episoden
Wenn Männer sich leer, antriebslos oder sinnentleert fühlen, haben sie oft keine Sprache dafür.
Stattdessen funktionieren sie weiter – bis nichts mehr geht.
Der Rückzug beginnt schleichend: weniger Freunde, weniger Kontakt, weniger Freude.
Doch auch das ist Teil des Weges: Diese „Leere“ ist nicht das Ende – sondern oft der Beginn einer ehrlichen Selbstbegegnung.
Was alle diese Themen verbindet
Der Wunsch, in sich selbst zu landen.
Nicht mehr funktionieren zu müssen – sondern wieder zu spüren.
Nicht perfekt zu sein – sondern ganz.
Die gute Nachricht
Männerarbeit kann genau dafür Raum schaffen.
Ehrlich. Still. Kraftvoll.
Mitfühlend. Klar. Echt.
Danke, dass du bis hierher gelesen hast.
Vielleicht hast du dich – wenn du ein Mann bist – in dem einen oder anderen Punkt wiedergefunden.
Vielleicht hast du als Frau etwas erkannt, das du in deinem Partner, Ex-Partner oder Vater schon lange gespürt hast.
Was mich motiviert, all das zu schreiben und Räume für Männer zu öffnen, ist nicht Theorie – sondern eigene Erfahrung.
Viele dieser Themen kenne ich von innen. Ich bin selbst durch Scham, Wut, Sprachlosigkeit, Beziehungskrisen und Selbstzweifel gegangen. Und ich gehe diesen Weg weiter – jeden Tag ein Stück bewusster.
Ich weiß, wie wertvoll es ist, auf diesem Weg nicht allein zu sein.
Deshalb begleite ich Männer – nicht als Besserwisser, sondern als Mensch, der mitgeht.
Klar. Ehrlich. Wohlwollend. Mit offenem Herzen.
Wenn du spürst, dass dich etwas davon berührt – melde dich gerne.
Wir müssen nicht perfekt sein, um uns auf den Weg zu machen.
Nur bereit.
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